Der wertvollste Spieler (18.1.2012)
Von Michael Winkler
Der wertvollste Spieler einer Mannschaft (vulgärdeutsch: MVP, most valuable player) ist jemand, der die ganze Mannschaft mitreißt, sie zum Sieg führt oder bei Bedarf auch treibt. In der Glanzzeit des FC Bayern war das Gerd Müller, derjenige, der geliefert hat, dessen Tore die Interviews eines Franz Beckenbauer ermöglicht haben.
Wechseln wir die Sportart. Der deutsche Name Korbball hat sich nicht eingebürgert, sie nicht Basketball zu nennen, wäre so anachronistisch wie „Gesichtserker“ für Nase. Wir wählen eine Jugendmannschaft, hochgewachsene, schlanke Jungen, 14 oder 15 Jahre alt, 1,80 oder 1,90 groß, nicht ganz ausgewachsen. Sie sind durchtrainiert, muskulös, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl, flink wie die Windhunde… Nun ja, Sie können sich die Bengel vorstellen.
Fragen Sie mich nicht, wie es geht, nehmen wir einfach an, Don Mafioso di Lampedusa hat der Liga ein Angebot unterbreitet, das diese nicht abschlagen konnte. Jedenfalls tritt Dirk Nowitzki der Mannschaft bei, „Dirkules“ in der Blüte seiner Jahre und seines Könnens. Natürlich ist er der wertvollste Spieler auf dem Feld, denn die „kleinen Jungs“ der gegnerischen Mannschaften haben ihm nichts entgegenzusetzen. Die Kraft, die Geschicklichkeit und die Erfahrung des Weltklasse-Athleten sind übermächtig, Dirk umspielt sie nach Belieben, ist unaufhaltsam im Angriff und beinahe unüberwindlich in der Verteidigung.
Für die Mannschaftsmitglieder ist es einfach: Ball annehmen, Nowitzki anspielen und schon stehen die Punkte auf der Anzeige. Die Mannschaft wird Meister, ohne einen einzigen Punktverlust. Bei der Meisterfeier haben sich die Jungs ein wenig verändert. Oh, sie sind noch immer hochgewachsen, und verglichen mit einem couchgewohnten Spielkonsolen-Virtuosen durchaus noch schlank, das geübte Auge erkennt jedoch die Veränderungen. Die Jünglinge sind schwerer geworden, und die zugelegten Pfunde bestehen nicht aus hartem, austrainiertem Muskelfleisch.
Die Zeit in der Nowitzki-Mannschaft bringt einem hoffnungsvollen jungen Basketball-Talent ein paar schöne Urkunden ein, die es ein Leben lang an die Wand hängen kann. In der nächsthöheren Altersklasse wird der Jugendliche jedoch nur schwer akzeptiert. Er ist kein Könner mehr, sondern ein Ballzuwerfer für den wertvollsten Spieler, ein Wasserträger. Wer nicht verweichlichen will, darf nicht in dieser Mannschaft spielen, trotz der Garantie auf den Meistertitel.
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