Der Bürgerservice der CDU
von Gert Flegelskamp (flegel)
Wie schon so oft ist eine Mail der Verursacher dieses Beitrags. Ein Leser hat in einem Forum eine Antwort des CRM-Teams des Bürgerservices der CDU-Bundesgeschäftsstelle gefunden. Im Geschäftsstellenbericht der CDU (link) taucht unter 5.11 die Begriffserläuterung zum CRM und unter Punkt 5.12 dieser Text auf:
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Im Konrad-Adenauer-Haus haben sich die Aufgaben im Rahmen von CRM stetig erweitert. Das seit über sieben Jahren bestehende CRM-Team Bürgerservice arbeitet neben dem Auftrag zur besseren Bürgerbeziehung (CRM) auch an einer Intensivierung der Beziehung zu den Mitgliedern (MRM).
Anfragen über die zahlreichen Kontaktformulare stellen den größten Teil der Bürgerkommunikation dar. Hinzu kommen zahlreiche „gelbe Briefe“, Telefonate und Faxe. Hier geht es darum, die Politik der CDU kompakt und verständlich zu kommunizieren. Die Beantwortung von Bürger- und Mitgliederanfragen – von der Frage zu aktuellen politischen Themen bis zum Autogrammwunsch – wird grundsätzlich innerhalb von drei Arbeitstagen realisiert. Darüber hinaus erledigt das CRM-Team Bürgerservice folgende Aufgaben: |
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Optimierung von Mitgliederadressen zur besseren Kommunikation (diese stehen via ZMD dann auch den Kreisverbänden zur Verfügung) |
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Steigerung von Kommunikations- und Kampagnenfähigkeit durch Analysen |
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Überzeugungsgespräche mit zahlreichen Anrufern zu politischen Themen |
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Einführungs- und Fortbildungs-Schulungen innerhalb des KAH und der am System angeschlossenen Untergliederungen, insbesondere die Schulung der neuen Version |
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„Amtshilfe“, d.h. Unterstützung der Untergliederungen, insbesondere während der Landtagswahlkämpfe |
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Etwa 80 Prozent aller im System erfassten Anfragen werden durch das Team Bürgerservice im KAH erfasst bzw. beantwortet. Derzeit ist man kurz vor der Bearbeitung der 400000sten Anfrage seit Bestehen des Systems im Jahre 2005. |
Zunächst stellt sich die Frage, was ist eigentlich CRM? Nun, weil die deutsche Sprache ja im Schwinden begriffen ist, ist CRM die Abkürzung für den englischen Begriff „Customer-Relationship-Management“, ursprünglich gedacht als Hilfestellung als Kundenbeziehungsmanagement, ein Wort, dass ja immerhin schon zur Hälfte deutschen Ursprungs und deshalb ungeeignet ist.
Nun, CRM ist vor allem ein Computerunterstütztes Tool, bietet also Datenbanken und eigene Suchbegriffe an, um z. B. im Teil Feedbackmanagement, das sich ursprünglich aus dem Beschwerdemanagement ableitet sofort auch Antworten auf Beschwerden aus der Datenbank zu bekommen. Diese muss man nur noch ein wenig gefällig umschreiben und schon hat man ein Antwort für den sich beschwerenden Kunden parat. Ach so, Sie glauben, Sie sind kein Kunde der CDU? Aber natürlich sind Sie das! Die CDU/CSU und die FDP verkaufen uns seit nunmehr fast vier Jahren ihre Politik und eigentlich pfeifen die Politiker darauf, was sie darüber denken, denn in der Regel wird darüber ja höchstens mal in den Leserkommentaren der Presseorgane oder am Stammtisch diskutiert, aber verhältnismäßig selten werden auch entsprechende Fragen schriftlich an die Politiker gerichtet. Nach meinen Erfahrungen bleiben davon mehr als die Hälfte unbeantwortet, doch wenn eine Antwort kommt, dann von extra dafür abgestellten Mitarbeitern und offenbar bei der CDU inzwischen von dem im Konrad-Adenauer Haus (KAH) sitzenden CRM-Team.
Doch nun zum eigentlichen Anlass. Offenbar hat jemand eine Anfrage an Frau Merkel gestellt und seine Meinung oder eine Frage zur direkten Demokratie, als die Bürgerbeteiligung an der Politik kundgetan. Hier folgt die Antwort der CRM-Teams Bürgerservice der CDU-Bundesgeschäftsstelle.
Sehr geehrter Herr xxx,
vielen Dank für Ihr Schreiben an Frau Dr. Angela Merkel.
Da unsere Bundeskanzlerin täglich Hunderte an Zuschriften und Anfragen erreichen, ist es ihr nicht möglich, auf diese stets persönlich einzugehen. Seien Sie aber versichert, dass wir stets bemüht sind, Frau Dr. Merkel über den Stand der Zuschriften auf dem Laufenden zu halten und in ihrem Sinne die Anfragen zu beantworten.
Ihre Kritik und Ihre Anregungen habe ich aufmerksam gelesen. Bitte lassen Sie mich versuchen, kurz auf das Thema Volksentscheide einzugehen.
Von den Befürwortern von Volksentscheiden wird häufig der Eindruck erweckt, als sei nur die unmittelbare Demokratie die „wahre“ Demokratie und das jetzige System der repräsentativen Demokratie sei im Gegensatz dazu eine minderwertige Form der Demokratie, ein geschichtliches Versehen, das endlich korrigiert werden müsste.
Wer so argumentiert, verkennt, dass uns das mit guten Gründen gewählte System der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie über 50 Jahre hinweg eine nicht zu unterschätzende politische Stabilität in Deutschland beschert hat.
Lassen Sie mich deshalb sechs Gründe nennen, die gegen Volksentscheide und für unsere repräsentative Demokratie sprechen.
1. Volksentscheide bergen die Gefahr des Missbrauchs und der politischen Destabilisierung.
Für diese Bedenken und Vorbehalte gibt es Beispiele aus unserer deutschen Geschichte. In der Weimarer Republik haben Volksabstimmungen das Land politisch aufgewühlt und gespalten und letztlich mit zu deren Scheitern beigetragen. Im dritten Reich wurden Volksbefragungen dazu missbraucht, die diktatorischen Entscheidungen des Nazi-Regimes nach außen demokratisch legitimiert erscheinen zu lassen, wie etwa 1933 der Austritt aus dem Völkerbund oder 1938 der Anschluss Österreichs. Der Parlamentarische Rat hat sich daher ganz bewusst und strikt zur parlamentarisch-repräsentativen Demokratie und gegen Volksentscheide bekannt, als er 1948/1949 das Grundgesetz ausgearbeitet hat.
2. Der zweite Grund gegen Volksentscheide sind die immer komplexer werdenden Fragestellungen unserer pluralistischen Gesellschaft. Um diesen gerecht zu werden, ist ein ausgewogenes, auf Kompromissbereitschaft basierendes Entscheidungs- und Gesetzgebungsverfahren erforderlich. Im Gegensatz zu Plebisziten können im parlamentarischen Verfahren verschiedene Interessenlagen – insbesondere auch die von Minderheiten – berücksichtigt und gewichtet werden: durch Beratungen im Plenum und in den Ausschüssen, Berichterstattergespräche und Sachverständigenanhörungen. Bei Volksentscheiden ist dieses ausgewogene Verfahren nicht möglich. Hier geht es allein um die Frage „Ja“ oder „Nein“.
3. Der dritte Grund liegt darin, dass Volksentscheide die verfassungsrechtlich garantierte, föderale Grundstruktur unseres Staates beeinträchtigen.
Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes garantiert die grundsätzliche Beteiligung der Länder an der Gesetzgebung. Bei der Volksgesetzgebung blieben diese Länderinteressen außen vor. Die vorliegenden Gesetzentwürfe sehen zwar die Möglichkeit der Konkurrenzvorlage durch den Bundestag vor, nicht aber durch den Bundesrat. Zwar enthalten sie außerdem eine Länderklausel, aber das ist keine inhaltliche Mitgestaltung der Länder im Sinne des Grundgesetzes, sondern eine reine Formalie.
4. Volksentscheide bergen die Gefahr der weiteren Abwertung des Parlaments.
Sind wir mal ehrlich, der Deutsche Bundestag hat schon heute kräftig gegen Bedeutungsverlust zu kämpfen. Dies hängt zusammen mit
– gestiegenen Kompetenzen und einer Normenflut der europäischen Institutionen,
– mit einer Föderalismusreform, mit der der Bund den Ländern weitere Zuständigkeiten überträgt
– und schließlich mit der gestiegenen Neigung, politische Debatten in Talk-Shows anstatt im Plenum auszutragen.
Kämen jetzt auch noch verstärkt Volksentscheide hinzu, sei die Frage erlaubt, was hätte denn das Parlament in wichtigen Fragen überhaupt noch selbst und eigeninitiativ zu entscheiden? Die großen Stunden des Parlaments wären Vergangenheit, die Schicksalsfragen der Nation würden woanders entschieden.
5. Durch Volksentscheide besteht die Gefahr, dass sich Parlamentarier ihrer Verantwortung entziehen könnten und insbesondere unpopuläre und sensible Fragestellungen einer Entscheidung des Volkes überließen.
6. Volksentscheide bergen schließlich die Gefahr, dass Sachfragen nicht nach sachbezogenen Gesichtspunkten entschieden werden.
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