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Arrivederci bella Italia

Posted by krisenfrei - 17/04/2012

DIE QUALEN DER MENSCHEN

Ähnlich wie die Hellenen leidet das italienische Volk zunehmend an Dekreten eines nichtgewählten Titulators.

Mario Monti’s drastisches Spar- und Reformpaket soll 24 Milliarden Euro in die leeren Staatskassen bringen um damit Forderungen aus Brüssel zu erfüllen und Italien aus der Schusslinie skeptischer Finanzmärkte zu bringen.
Ganz konkret werden eine einschneidende Rentenreform, Streichung von Steuererleichterungen sowie Mehrwertsteuererhöhungen umgesetzt. Der öffentliche Dienst wird personell zurückgefahren und organisatorisch gestrafft. Eine Immobiliensteuer gehört ebenfalls zu den schmerzhaften Maßnahmen, die Millionen von Italienern trifft.

Die wichtigsten Punkte des Sparpakets:

Pensionen

Anhebung des Antrittsalters:
Die Arbeitnehmer werden nicht mehr mit 40 einbezahlten Pensionsbeitragsjahren, unabhängig von ihrem Alter, in den Ruhestand treten. Frauen müssen mindestens 41 Beitragsjahre eingezahlt haben, Männer 42.
Das Mindestalter für den Rentenantritt soll bis 2018 für Frauen und Männer auf 66 Jahre gleichgestellt werden. Außerdem werden 2012 ausschließlich Pensionen unter 495 Euro an die Inflation angepasst. Die Pensionen über 900 Euro werden bis 2014 eingefroren.

Lokale Körperschaften

Bei den Ausgaben der Lokalverwaltungen sollen fünf Milliarden Euro eingespart werden. Diese Kürzungen summieren sich mit den Einsparungen, die bereits mit den von der Regierung Berlusconi verabschiedeten Sparplänen beschlossen worden waren.
Regionen mit Normalstatut werden auf 2,1 Milliarden Euro verzichten müssen, jene mit Sonderstatut, inklusive die autonomen Provinzen Trient und Bozen müssen 1,035 Milliarden Euro einsparen. Die Gemeinden müssen auf 1,4 Milliarden Euro verzichten, die so genannten Provinzräte (ausgenommen die Landtage in Südtirol und im Trentino) werden gestrichen.

Finanzprodukte

Bankkonten werden teurer. Die Regierung Monti will auch Finanzprodukte und -transaktionen besteuern.
Monti will sich außerdem in der EU dafür einsetzen, damit das auch in Europa der Fall wird. Italiener, die in den vergangenen Jahren im Rahmen der Steueramnestie ins Ausland gebrachtes Kapital zurückgeführt haben, sollen eine zusätzliche Einmal-Steuer zahlen.

Mehrwertsteuer

Ab der zweiten Hälfte 2012 soll die Mehrwertsteuer IVA um zwei Prozentpunkte erhöht werden. Damit hofft die Regierung zusätzliche 16 Milliarden Euro einzutreiben. Die Mehrwertsteuer war bereits von der Regierung Berlusconi auf 21 Prozent erhöht worden. Die Regierung Monti schließt jegliche Form von Steueramnestien aus.

Immobilien- und Autosteuer

Auf Erstwohnungen gibt es wieder eine Immobiliensteuer zwischen 0,4 und 0,76 Prozent. Die ICI war vom Vorgängerkabinett um Silvio Berlusconi 2008 gestrichen worden. Nun rechnet sich Monti zusätzliche Einnahmen von 12 Milliarden Euro aus. Außerdem wird eine zusätzliche Steuer für Luxusautos, Hubschrauber und Privatflugzeuge eingeführt. Italienische und ausländische Schiffe und Boote, die in Häfen halten, müssen eine tägliche Steuer zahlen, die je nach Länge des Schiffes zwischen 12 Euro und 150 Euro pro Tag beträgt.

Benzin

Die Regierung hat ab Januar 2012 die Abgaben im Benzinpreis erhöht. Diese Mehreinnahmen sollen den öffentlichen Verkehr querfinanzieren.
Außerdem plant die Regierung eine erneute Erhöhung der Tabakabgaben.

Bargeldlimit

Die Regierung will Zahlungen in Bargeld reduzieren, um die Geldwäsche zu bekämpfen. So sollen lediglich Beträge unter 1000 Euro künftig mit Bargeld bezahlt werden. Bisher lag die Grenze noch bei 2500 Euro. Geldflüsse über 1000 Euro sollen per Kreditkarten, Banküberweisung oder Scheck erfolgen.

Infrastrukturen

Die Regierung will große Infrastrukturprojekte zur Förderung des Wirtschaftswachstums fördern. Dafür sollen 40 Milliarden Euro locker gemacht werden.

ENIT und Transportbehörden

Der Fremdenverkehrsverband ENIT wird gestrichen. Das ENIT-Personal wird dem Industrieministerium eingegliedert.
Mehrere staatliche Behörden werden gestrichen, oder die Zahl ihrer Mitglieder wird stark reduziert. Davon betroffen sind anderem die Börsenaufsichtsbehörde Consob und die Kartellbehörde.

RAI

Unternehmen und Gesellschaften werden in ihrer Steuererklärung beweisen müssen, dass sie die Fernsehgebühr für die öffentlich-rechtliche TV-Anstalt RAI zahlen. Damit will die Regierung dafür sorgen, dass der „Canone“ gezahlt wird.

Siehe auch:
Sparpaket Monti – Quo vadis?

Im Gegenzug wurde ein Liberalisierungsdekret auf den Weg gebracht, das Monopole aufbrechen, Privilegien abbauen und somit die lahmende italienische Wirtschaft ankurbeln soll.

Hier einige der wichtigsten Maßnahmen:

Billigere Autoversicherung dank „Blackbox“

Besitzer von Fahrzeugen, die der Installation einer „Blackbox“ zustimmen, könnten mit einer niedrigeren Versicherungsprämie rechnen. Die „Blackbox“, die von der Versicherung bezahlt würde, registriert alle Aktivitäten des Fahrzeugs – u.a. auch die Geschwindigkeit; verursacht man einen Unfall mit überhöhter Geschwindigkeit, kann die Versicherung dies dem Fahrer nachweisen.

Handel: Weniger Einschränkungen bei Preisnachlässen und Öffnungszeiten

Im Handel soll eine freizügigere Regelung bei Preisnachlässen, die auch außerhalb der Winter- und Sommerschlussverkäufe möglich sein soll, umgesetzt werden. Kleinen und großen Geschäften soll nun erlaubt sein, Preisnachlässe zu jeder Zeit zu gewähren.
Auch die Höhe der Rabatte soll keinen Beschränkungen mehr unterliegen. Die Öffnungszeiten werden liberalisiert: jedes Geschäft kann künftig rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, offen bleiben können.

Verkauf von Medikamenten und von Zeitungen

Die Verteilung von Apotheken ist italienweit nach einem bestimmten Quorum geregelt.
Bislang galt folgende Regelung: Eine Apotheke auf 4000 Einwohner in Gemeinden mit über 12.500 Einwohnern und eine Apotheke auf 5000 Einwohner in Gemeinden unter 12.500 Einwohner.
Diese Regelung wird nun geändert und die Apothekenverteilung erweitert. Das künftige Quorum: eine Apotheke pro 3000 Einwohner.
Die Öffnungszeiten für Apotheken werden ebenfalls freigegeben. Rabatte für Medikamente der Kategorie A sind nun ausdrücklich erlaubt.

Gemäß dem Liberalisierungsdekret fällt auch das bisherige Verkaufsmonopol von Zeitungen und Zeitschriften. Diese Produkte können künftig nicht nur in Zeitungskiosken angeboten werden.

Billige Kontokorrente

Kontokorrente könnten in Zukunft deutlich günstiger werden. Die Regierung plant Berichten zufolge ein Abkommen mit dem italienischen Bankenverband (ABI). Sollte keine Übereinkunft erreicht werden, könnte die Regierung die Kriterien selbst festlegen.
Auch die Vergabe von Bankkrediten, bei denen häufig der verpflichtende Abschluss einer Lebensversicherung vorgesehen ist, könnte neu geregelt werden. So könnten die Banken künftig verpflichtet werden, dem Kunden mindestens zwei Angebote verschiedener Versicherungen vorzulegen.

Freiberufler: Tarife im Fokus

Auch die einzelnen Berufsverbände werden die Liberalisierungsmaßnahmen der Regierung treffen – zum Teil in starkem Ausmaß.
Monti hat dem italienischen Protektionismus den Krieg erklärt. Die Tarifregelungen von Notaren, Steuerberatern und Rechtsanwälten sollen aufgehoben werden. Nach den Vorgaben des Dekretes müssen Freiberufler einem Kunden seinen Kostenvoranschlag schriftlich mitteilen.
Ein Praktikum – z.B. bei einem Anwalt oder einem Steuerberater – könnte künftig in den beiden letzten Jahren eines Unistudiums absolviert werden. Genehmigungen, Lizenzen und sogenannte „nulla osta“-Bescheide, um eine Aktivität aufnehmen zu können, sollen künftig abgeschafft werden.

Deutlich mehr Notare und niedrigere Tarife

Am härtesten treffen die Liberalisierungsmaßnahmen die Notare, die in Zukunft wohl auf mehrere Sonderregelungen ihres Berufsstandes verzichten müssen. Änderungen soll es vor allem am Artikel 74 geben, mit dem die Tarife der Notare geregelt werden. Damit möchte die Regierung die Kosten vor allem für den Kauf von Immobilien senken.
Das soll auch durch mehr Konkurrenz geschehen: Die Regierung Monti möchte bis Ende 2014 rund 1500 neue Notariatsposten schaffen.

Tankstellenpächter: Self-Service und Mini-Market

Tankstellen sollen – wie in Deutschland, Österreich und vielen europäischen Ländern schon lange üblich – neben Benzin zukünftig auch andere Produkte verkaufen können und zu einer Art „Mini-Market“ werden.
Außerdem soll die Umwandlung in eine Self-Service-Struktur zukünftig mit weniger bürokratischem Aufwand verbunden sein. Gleichzeitig soll der „Benzin-Einkauf“ der Tankstellenpächter und -betreiber liberalisiert werden; Besitzer von Tankstellen könnten ihren Treibstoff bei unterschiedlichen Großverteilern, auch bei jenen, die nicht die vertriebene Marke führen, beziehen.
Ein Tankstellenpächter wäre also nicht mehr wie bisher an (s)eine Erdöl-Gesellschaft gebunden und könnte Treibstoffe frei auf dem Markt einkaufen.
Zudem sollen sich Tankstellenpächter zusammenschließen können, um Kosten zu senken.

Taxifahrer und Autobahnen: Eigene Behörde wacht über Mobilitätsektor

Auch der Taxisektor soll liberalisiert werden.

Postwesen: Poste Italiane verlieren Monopol

Die Monopolstellung der „Poste italiane“ könnte schneller als geplant der Vergangenheit angehören:
Das Postwesen soll gänzlich liberalisiert werden. Die Regierung will die Konkurrenz in diesem Bereich fördern und auch ausländische Mitbewerber im Zuge eines Wettbewerbes am Auswahlverfahren beteiligen.

Eisenbahn: Ende der Vormachtstellung für RFI und Trenitalia

Das Ende der RFI- und Trenitalia-Vormachtstellung naht: Das italienische Schienennetz soll unabhängig werden, die RFI („Rete ferroviaria italiana“) könnte ausgegliedert und in das Wirtschaftsministerium integriert werden.
Trenitalia soll zukünftig keinen Vorzugsbonus mehr genießen, sondern sich der wachsenden Konkurrenz anderer Anbieter stellen.

Strände: Konzessionen über Wettbewerbsverfahren ermitteln

Änderungen soll es auch beim öffentlichen Meeresgut, sprich bei Badestränden, geben. Italien müsse seine Regelungen an europäische Standards anpassen, fordert die Regierung.
Zukünftig sollen Konzessionen für Badestrände nur über öffentliche Wettbewerbe verteilt werden. Damit will Monti auch dem Ruf nach mehr Transparenz Rechnung tragen. Zwar sollen bisherige Betreiber bei einem Wettbewerbsverfahren über ein so genanntes „Erstrecht“ verfügen. Die Konzession sollen sie aber nur dann erhalten, wenn sie ihr Angebot dem des Wettbewerbsgewinners anpassen.
Bislang übliche lebenslange Konzessionen sollen nach dem Dekret abgeschafft werden.
Eine Konzession soll höchstens für vier Jahre vergeben werden; eine Verlängerung einer Konzession wird nur mehr über einen Wettbewerb möglich sein, eine automatische Verlängerung soll ausgeschlossen werden.

Konsumenten: Sammelklage möglich

Nach englischem Vorbild will die Regierung Monti die „class action“, eine Art Sammelklage, vorantreiben.
Dabei handle es sich um eine zivilrechtliche Klage, so die „Repubblica“, die im Falle eines Erfolges nicht nur mehr Klägern Ansprüche auf Schadenersatz verschaffen soll, sondern jeder Person, die vom Sachverhalt betroffen ist bzw. geschädigt wurde.

***

Bevor ich zu den Auswirkungen all dieser Maßnahmen für die Menschen komme, kann ich es mir nicht verkneifen, hier eine Hommage an Mario Monti durch den Chefanalysten der Bremer Landesbank, Herrn Folker Hellmeyer einzuflechten.

Zitat:
„Es gibt ja auch gute Ökonomen, deren Äußerungen auch „Sinn“ machen, keine Frage! Joseph Stiglitz meldete sich zu Wort. Er warnte die europäischen Regierungschefs, die Krisenstaaten zu noch größeren Sparbemühungen zu drängen.
„Demokratien können nur ein begrenztes Maß an Einschnitten vertragen, ohne dafür Erfolge zu sehen.“ – So der O-Ton des Nobelpreisträgers.

Wir stimmen ihm zu. Reformen sind insbesondere dann erfolgreich, wenn das Augenmerk auch auf einer gewissen konjunkturellen Stabilität liegt.
Diesbezüglich geht Italien unter Monti einen bemerkenswerten und nachahmenswerten Weg.

Nach der Implementierung der Reformen gilt es jetzt, die Konjunktur der Reformländer in Gang zu bringen, um die Skaleneffekte aus den Veränderungen der Geschäftsmodelle auch zu realisieren. Es gilt, den Leidensdruck der durch die Reformen belasteten Menschen nicht unnötig zu verlängern. Es müssen Erfolge sichtbar werden.“

Ja, werter Herr Hellmeyer, es müssen Erfolge sichtbar werden!
Mantraähnliche Sprechblasen sind weder zielführend noch machen sie einen guten Ökonomen aus, der das Prädikat Erfolg-reich verdient!
Ihren Äusserungen fehlen, wie so oft, ganz konkrete und belastbare Hinweise auf konjunkturfördernde Maßnahmen.

Vielleicht sollte die Bremer Landesbank erstmal nachhaltige Konzepte zur Eindämmung des Finanzdebakels in Bremen entwickeln, statt faktenfreie Loblieder auf Mario Monti zu singen!

***

Wer nicht unter ökonomischen Wahrnehmungsstörungen leidet, hat längst das Fieberthermometer der italienischen Volkswirtschaft, also den aktuellen Monatsbericht der Banca d’Italia zur Kenntnis genommen.
Per Ende März 2012 liegt der Target-2-Saldo bereit bei minus 270,408 Mrd. Euro (!)
Wer in diesem Zusammenhang über Monti’s Erfolge fabuliert, füllt sein Sudoku [früher nannte man das Kreuzworträtsel] vermutlich mit dem Kugelschreiber aus!

Herrn Hellmeyer und allen „open minded-Analysten“ die nicht unter der immer wieder gern gelebten Realitätsverweigerung leiden, sei dringend zu empfehlen, die Auswirkungen von Monti’s glorreichem Wirken auf die Menschen in Italien zu lesen und ggfls. selbst nachzurecherchieren:

Das Wallstreet Journal oder unsere deutschen Qualitätsmedien sind leider so überlastet, dass live-Recherchen über das Leben insbesondere der Unterpriviligierten in Italien ausgeblendet und relevante Nachrichten über den Zustand des italienischen Patienten nur bruchstückhaft wiedergegeben werden.

Im Januar ließ Morgan Stanley verlauten, dass sie ihr Netto-Risiko bei Italien um 3,4 Milliarden Euro gekürzt habe.
Was jedoch nicht gesagt wurde, war:
Italien selbst hat diesen gesamten Betrag an die Bank bezahlt, um aus einer Wette mit Zinsraten herauszukommen. Italien wollte Derivat-Verträge, die noch aus den 90er Jahren stammten und Verluste brachten, auflösen, sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Bloomberg. Es war billiger für das Land, diese Transaktionen zu stornieren, anstatt sie zu erneuern.

Nach meiner Wahrnehmung gibt es keinen Wirtschafts-Journalisten, Ökonomen und schon gar kein Politiker, der in diesem Zusammenhang von „Il Professore“ Monti dezidierte Auskünfte darüber einfordert, ob und in welchem Umfang und mit welchen Zockerbuden weitere Wettgeschäfte aktiv sind!
Stellt sich an diesem Punkt nicht zwangsläufig die Frage, warum dies so ist?

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich eine Lanze für australische Journalisten brechen, die sich offensichtlich nicht der Medien-Omerta verpflichtet fühlen und eine aktuelle Meldung hier vorstellen:

Fat cat Italian politicians dodge Monti’s austerity

Auszüge:
„When Prime Minister Mario Monti called on all Italians to make sacrifices to avert a Greek-style crisis, the political class that backs him in parliament wasn’t listening.“
[…]
„Ordinary Italians are paying the price for a decade of political stalemate, profligate spending and corruption.
Monti, who made his appeal for sacrifices when he took office last year, has imposed an austerity package adding 24 billion euros to Italians‘ tax bills in 2012 alone. But Italy’s wealthy, including its politicians and senior bureaucrats, are hardly carrying their share of the burden.“
[…]
Italy has almost 1,000 national lawmakers, twice the U.S. number even though Italy has just a fifth of the population – and they earn more than their U.S. counterparts and most of their European peers too. The majority have a base salary of 11,283 euros per month before tax, plus 3,503 euros for expenses which they do not have itemise.
By contrast, the lowest-earning households are being hurt most by rising fuel, property and sales taxes. They live on less than 8,000 euros per year, or 667 euros per month, after taxes.“

Es dürfte wohl niemanden ernsthaft verwundern, dass solche Umstände bei etwaigen „bösen Zungen“ Phantasien von einem gekauften Parlament auslösen könnten!

Allerdings muss man Herrn Monti zugute halten, dass er sich angesichts einer offiziell eingeräumten Arbeitslosen-Quote unter der italienischen Jugend von über 30% intensiv für den Erhalt von Arbeitsplätzen, etwa bei der Waffenschmiede Finmeccanica’s Alenia Aermacchi [Staatsanteil 32%] engagiert.

Trotz zahlreicher hausgemachter Probleme in Italien … wobei in der Spitze des Eisberg’s u.a. recht seltsame Vergütungspraktiken für den Parlaments-Stenografen sichtbar werden, oder bereits im Januar aufgedeckt wurde, dass mehrere Tausend italienische Finanzbeamte sich so ganz nebenbei illegal steuerberatend nützlich machen, scheint Herr Monti doch reichlich Muße zu haben, um sich heftige Wortgefechte mit Spaniens Premierminister Mariano Rajoy zu liefern.
Vielleicht sollten wir nach einem Sponsor für einen Kehrbesen suchen und diesen Herrn Monti als verspätetes Ostergeschenk zuleiten. Seine vermeintliche Muße könnte er so mit dem Kehren vor der eigenen Haustür sinnvoller gestalten.

Fairerweise möchte ich aber Herrn Monti wie jedem anderen Menschen die italienische Lebensweisheit „Ognuno la intende a modo suo“ [jeder betrachet die Dinge auf seine Weise!] sehr gerne zubilligen.

Kommen wir nach diesen, wie ich finde, notwendigen Abschweifungen zum finale furioso meiner Beobachtungen:

Wer die italienische Sprache beherrscht, kann sich von der Kreativität des italienischen Finanzministeriums überzeugen, dem die nachfolgend dargestellte facebook-Aktion zugeschrieben wird.
Googlen Sie einfach mal nach den facebook-Einträgen „Io denuncio – e Tu“ [Ich zeige an – und Du?].
Beispiele dazu finden sich hier und hier oder hier.

Auf allen TV Sendern laufen dazu ergänzende Spot’s:
Dort werden verschiedene Parasiten gezeigt, etwa der Holzwurm, der Darmparasit … der Steuerparasit(!) … dann ein Männergesicht: der Volksparasit … der Steuerhinterzieher!

Hierzu ein „verständnisheischender“ n-tv-Videospot [1:21 Min]

Offenbar ist die Internet-Generation recht einfach zu manipulieren. Die Aktion trägt Früchte … man zeigt sich gegenseitig an … etwa so:
„Mein Bäcker XY aus ZZ gab mir gestern keinen Kassenbon“ oder „der Handwerker XY aus ZZ hat gerade meine Wasserleitung repariert und stellte bezüglich der Bezahlung die Frage „mit, oder ohne Rechnung?“

In zahlreichen Orten wurden auf Veranlassung des Wirtschaftsministeriums, so wird berichtet, Plakate angebracht, auf denen ein Mann im schwarzen Anzug und Sonnenbrille zu sehen ist, der einen schwarzen Koffer in der Hand hält.
Darunter steht dann sinngemäß, dass er durch Steuerhinterziehung das ehrliche Volk aussaugt und dass man ihn bekämpfen und ächten muss.
Und schon ist der Schuldige auf dem Dorf ausgemacht: Es ist der Fahrradmechaniker, der für den reparierten Schlauch für die kassierten 3 Euro keinen Kassenbon ausgestellt hat! Dem werden wir es zeigen – ein Anruf genügt!

Ich möchte darauf verzichten diese Maßnahmen zu bewerten, vermute allerdings, dass sich gerade bei älteren LeserINNen wieder merkwürdige Erinnerungen einstellen könnten.
Allerdings möchte ich, um Fehlinterpretationen vorzubeugen, deutlich machen, dass bei jährlich € 120 Mrd. hinterzogener Steuern in Italien, wirksame Mittel zur Anwendung kommen müssen. Solche Maßnahmen allerdings auf dem Rücken unterpriviligierter Menschen in brutaler Weise umzusetzen und bei den Hauptschuldigen gelegentlich möglichst medienwirksam mal einen Ferrari oder eine Yacht zu pfänden, halte ich für deutlich verfehlte Politik, die in letzter Konsequenz unüberbrückbare Fronten innerhalb der Gesellschaft schaffen kann. Daraus möglicherweise entstehende fatale Folgen möchte ich mir nicht ausmalen.

Das Monti-Programm hat offenbar bei vielen Italienern einen Schock ausgelöst und trifft vor allem die Armen.
60% pauschale Erhöhung des Katasterwertes aller Immobilien, danach richtet sich der neue IMU [Grundsteuer]. Je nach Immobilie und Gebäude liegt das Minimum der jährlichen Zusatzbelastung bei etwa 400 Euro. Selbstverständlich sind, wie zu hören ist, Immobilien von Parteien, der Kirche und Firmengelände davon ausgenommen (!)

Wie in alternativen italienischen Medien zu lesen ist, soll die Personaldecke der „Guardia di Finanza“ [Finanzpolizei] mächtig aufgestockt worden sein, die allerdings nicht dem Großkapital auf die Pelle rückt, sondern den Unterpriviligierten vorsätzlich die Lebensgrundlage raubt.

Wer etwa meinte, zu Beginn des Jahres mit 65 in Rente gehen zu können, muss realisieren, für ein Jahr ohne Einkünfte dazustehen, so er denn – wie etwa 25% – keine Arbeit hat.
Hartz-4 oder vergleichbare Unterstützungsleistungen [etwa Kinder- oder Wohngeld] gibt es in Italien nicht, wenn man von einer mageren Alimentierung per Sozialscheck einmal absieht, die allerdings nur dann greift, wenn eine völlige Verarmung nachgewiesen wird. Der „Segen“ entfällt ersatzlos, sobald ein vermeintlich Berechtigter auch nur ein winziges Stückchen Acker sein eigen nennt, oder seitens der Behörden nachzuweisen ist, dass die Person mit sklavenähnlichen Nebentätigkeiten versucht, seine unsägliche Misere zu lindern!

Nach der Erhöhung der Benzinpreise nähert sich die Marke pro Liter Super bereits der Zwei-Euro-Marke. Die bereits für September 2012 angekündigte weitere MwSt.-Erhöhung auf 23% wird die Lage, insbesondere bei Gütern des täglichen Bedarfs, weiter verschärfen.

Ein Blick auf die Einkommen macht deutlich, welche Qualen dem einfachen Volk aufgebürdet werden.
So liegt das Durchschnittseinkommen einer Altenpflegerin etwa in Süd-Italien bei brutto 540 Euro, eine Arzthelferin kommt auf brutto 500 Euro, eine Vollzeit-Kellnerin in einer Kaffeebar darf sich über mtl. Bruttobezüge von etwa 400 Euro erfreuen.

Hoffentlich werden solche Detailinformationen von unserer geschätzten Frau von der Leyen einvernehmlich mit unserer Zeit-Arbeit-Industrie nicht als Steilvorlage gesehen, um solche Arbeitskräften „eine Chance“ in Deutschland zu geben.

Ebenfalls in Süd-Italien liegen die üblichen Monats-Mieten für eine 2-Zimmerwohnung um die 300 Euro, der Kindergarten berechnet durchschnittlich 160 Euro pro Monat, die 125-Gramm-Packung Butter ist für 2,45 € zu haben!
Sonntags wird gearbeitet, die 6-Tagewoche a 8 Stunden ist im Einzelhandel und der Gastronomie mittlerweile Standard.

Mit größten Anstrengungen gelingt es [noch immer] vielen Familien im Süden des Landes mit einer bescheidenen eigenen Behausung und Garten oder einem Fitzelchen Feld, das vom Opa bestellt wird recht und schlecht über die Runden zu kommen. Sollte allerdings die Waschmaschine, der Kühlschrank oder gar das angerostete Moped oder der uralte Fiat den Geist aufgeben, ist das Ende der Fahnenstange erreicht. In solchen Fällen lassen sich bestenfalls noch Tauschobjekte [aus Hühnerzucht, selbst angebauten Oliven, Früchten oder Gemüse] zur Abwendung des persönlichen Super-Gau’s in den Ring werfen!

Um den betroffenen Menschen auch diese Möglichkeit zu nehmen, schwärmen Monti’s Truppen in den Feldern aus, um pensionierten und arbeitslosen (vulgo: einkommenslosen) Bauern und Olivenbaumschneidern das Handwerk zu legen.
Dazu muss man wissen:
wer zwangsweise ein Leben lang in die Rentenkasse als „coltivatore diretto“, also einzelner Bauer, ohne Angestellte oder echtem Betrieb, eingezahlt hat, erhält im Alter von 66 Jahren eine Rente von etwa 400 Euro. Da man von solchen Almosen nicht leben kann, verdingt sich „der krumme Rücken“ noch tageweise dort, wo es etwas zu tun gibt.
Diese Alten finden i.d.R. einige arbeitslose junge Menschen [oft auch die eigenen erwachsenen Kinder] und verschneiden Oliven-Bäume gegen Cash. Um zwanzig alte, hohe Olivenbäume fachgerecht zu schneiden, sind drei Leute gerade mal einen Tag beschäftigt.
Jeder erhält so 100 Euro auf die Hand wobei er die Tätigkeit mit eigenem Werkzeug vornimmt.
Nun schleichen Montis Truppen mit Gummistiefeln in aller Frühe in den Feldern umher und prüfen, ob da jemand in den Bäumen sitzt und sägt!
Die neue Strategie der Alten ist nun, solche Arbeiten in luftiger Höhe [ausgewachsene Olivenbäume können bis etwa 20m hoch werden] in der Nacht unter Zuhilfenahme von großen Akku-Strahlern durchzuführen.
Das fehlende Sozialnetz lässt diesen Menschen, sofern sie nicht verhungern wollen, keine andere Wahl!
Zwischenzeitlich macht in den betroffenen Regionen ein geflügeltes Wort die Runde: „Se lavori sei un ladro!“ [sinngemäß: Wenn Du arbeitest, bist Du ein Dieb!]

Außer gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern hat keiner dieser Menschen eine Lobby, die sich für deren Belange medienwirksam einsetzen würde. Was bleibt ist ein Leben ohne Hoffnung und Perspektive [ der arabische Frühling lässt grüssen]

Gerade in Süditalien hört man mittlerweile immer häufiger: „die Mafia hat wenigstens für Arbeitsplätze gesorgt, der Staat kassiert uns nur ab, bis wir verhungern!“

In Italien wird nicht reformiert, es wird nur schnell Geld „eingeprügelt“ um diverse „Hilfszahlungen“ an die in Staatsanleihen investierten Banken weiterzuleiten. Mit Reformen, die das Land wirklich nach vorne bringen könnten, hat dies alles nichts zu tun. Italien versinkt in der Depression, jeden Tag neue Selbstmorde von Firmeninhabern, die es nicht mehr schaffen … von Rentnern, denen die Rente gekürzt wurde und die damit zum Verhungern verurteilt sind.
Und von den Parteien ist nichts zu erwarten. Die sind wie in Deutschland nur mit sich selbst beschäftigt. Comunen machen ihre eigenen, willkürlichen Gesetze und pressen die Bürger noch mehr aus, da der Staat ihnen den Geldhahn zugedreht hat. Italien ist innerhalb weniger Monate zu einer Diktatur Montis und der Banken verkommen.
Es steht zu befürchten, dass solche Szenarien alle Euroländer erwartet, auch wenn dies zunächst erst in den Club-Med-Staaten deutlich wird. Die für den Laien schon fast unübersehbaren Haftungssummen [zu Lasten der Steuerzahler] werden früher oder später auch vermeintlich stabilere Volkswirtschaften einholen und den Menschen vergleichbare Vorgänge bescheren.

Nachtrag 12.04.2012

Man mag Mario Monti an vielen Stellen heftigst kritisieren … an der Kreativität seines Teams ist allerdings kaum zu zweifeln.
Jedenfalls wurde gerade eine neue Einnahmequelle kreiert:
Um den Zivilschutz besser ausrüsten zu können, will man künftig für jede SMS 2 Cent Steuern erheben. Wer die Italiener kennt, weiß, dass Monti da einen hübschen Betrag generieren könnte. Angeblich rechnet man p.a. mit bis zu € 500 Mio zu Gunsten der klammen Finanzkasse.

Die pro’s und con’s dieser Wegelagerei, wie zahlreiche Betroffene eine solche neue Steuer wutentbrannt brandmarken mögen, hätte zwei Vorteile:

1. Die unterpriviligierten Menschen würden mangels Mobiltelefon davon nicht tangiert werden
2. Könnten alle anderen EU17 oder EU27-Staaten diese Idee ebenfalls aufgreifen um zeitnah umsetzen … auf die sich dann erhebende Diskussionswelle bin ich schon heute sehr gespannt.

Obgleich noch zahlreiche weitere Details erwähnenswert erscheinen, möchte ich Ihre Aufnahmefähigkeit nicht weiter strapazieren, beantworte aber sehr gerne Fragen, die Sie mir hier oder im Forum zuleiten können.

Herzlichen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit und beste Grüsse

Ihr Oeconomicus

Quelle: fortunanetz

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Alles nur noch eine Frage der Zeit, dann wird es in der jeweiligen Landessprache heißen:

— até a vista

— hasta la vista

— au revoir

— auf Wiedersehen … usw.

„Scheitert der Euro, scheitert Europa“ (Merkel)

“Europa scheitert am Euro” (Prof. Dr. Hankel)

4 Antworten to “Arrivederci bella Italia”

  1. FabRie said

    Immerhin ist der Titel des Artikels noch optimistisch:
    „Arrivederci Bella Italia“ bedeutet ja „Auf Wiedersehen, Bella Italia!“
    Ich lebe im „Belpaese“ und bin was das Wiedersehen angeht etwas skeptisch.
    Treffender wäre da schon:
    „Addio, Bella Italia.“

  2. […] https://krisenfrei.wordpress.com/2012/04/17/arrivederci-bella-italia/ […]

  3. […] viaArrivederci bella Italia « krisenfrei. Share| April 17, 2012 at 12:36 pm by admin Category: Italien […]

  4. „Ähnlich wie die Hellenen leidet das italienische Volk zunehmend an Dekreten eines nichtgewählten Titulators.“

    Ob die Vollidioten (ein Idiot ist jemand, der private und öffentliche Interessen nicht unterscheiden kann, also ein Nichtfreiwirtschaftler) der politischen Seifenoper „gewählt“ oder „nichtgewählt“ sind, ist irrelevant. Denn die Makroökonomie ist die Basis allen menschlichen Zusammenlebens und nicht die hohe Politik:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/04/krieg-oder-frieden.html

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