Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, und sein Amtskollege von der Federal Reserve, Ben Bernanke, behaupten, sie müßten ständig mehr Geld drucken und an die Banken vergeben, damit diese die Wirtschaft mit Kredit versorgen können. Als Resultat davon umfaßt die Bilanz der EZB inzwischen schon 3 Billionen € bzw. 4 Bio. $ und liegt damit sogar noch beträchtlich über der der FED. Diese hält eigenen, am 24. 1. veröffentlichten Zahlen zufolge knapp 1,7 Bio. $ an US-Staatsanleihen, mehr als das Dreifache der 475 Mrd. $ zur Zeit des Amtsantritts von Präsident Obama Anfang 2009. Dazu kommen noch mehr als 1,5 Bio. $ an hypothekengedeckten Papieren, die die FED seit 2008 den großen Banken abgekauft hat. Die Bilanz liegt also inzwischen bei über 3 Bio. $ und 2013 soll eine weitere Billion gedruckt werden, aufgeteilt in Monatsraten von 85 Mrd. $. Außerdem schrumpfte das BIP im 4. Quartal 2012 auf das Jahr hochgerechnet um 0,1 %, obwohl die Prognosen mindestens 1 % Wachstum versprochen hatten. Das Gleiche gilt für Europa. Vor zwei Jahren lieh die EZB den Banken zinslos 1 Bio. €. Bisher haben sich die Banken nur verpflichtet, 100 Mrd. € zurückzuzahlen. Der größte Teil muß refinanziert werden. Doch trotz dieser gigantischen Geldspritze ist die Kreditvergabe an die Wirtschaft ständig gesunken. Im 4. Quartal 2012 gab es nach Angaben der EZB einen ›Nettorückgang‹ der Kreditvergabe von Banken an Unternehmen um 15 % gegenüber dem 3. Quartal, für das die entsprechende Zahl bereits minus 15 % gewesen war. Hinzu kommt ein Nettorückgang von 18 % bei Eigenheimhypotheken, nach minus 13 % im 3. Quartal. Die EZB prognostiziert einen weiteren Nettorückgang der Unternehmenskredite um 15 %. Wie das zu einer wirtschaftlichen Erholung ›im Lauf des Jahres 2013‹ führen soll, wie Draghi sie versprochen hat, bleibt ein Rätsel. Tatsache ist, daß die EZB jedes Jahr eine Erholung vorhersagt und dies dann immer wieder um ein Jahr verschiebt. Wie der frühere italienische Wirtschaftsminister Giulio Tremonti dazu sagte: »Wir warten darauf, zu erfahren, an welchem Tag die Erholung kommen wird, und ob es morgens oder nachmittags sein wird.«
Der Finanzinformationsdienst ›Alpha Value‹ hat interessante Zahlen zu 32 europäische Großbanken veröffentlicht. Ende 2010 verwendeten die 10 größten Banken nur 36 % ihrer Vermögenswerte für Kredite, die 10 kleinsten der 32 dagegen 75 %. Soviel zu der Behauptung, Universalbanken seien notwendig, um das Wirtschaftswachstum zu fördern. Beim letzten Treffen des Fed-Vorstands am 12. 12. 12 warnten laut Sitzungsprotokoll gleich ›mehrere‹ der Fed-Chefs, wenn die Zentralbanken nicht in den nächsten Monaten mit dem Gelddrucken aufhörten, säßen sie in der Falle und könnten überhaupt nicht mehr aufhören.
Nicht einmal der IWF wird Draghi retten können
Mario Draghi ist inzwischen wegen des Betrugsskandals um die italienische Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) in einer so schwachen Position, daß er sich nur noch politisch verteidigen kann. Also schickte seine Freundin Christine Lagarde den IWF als Verteidiger vor. Das IWF-Team, das sich zu seiner regelmäßigen Bewertung der italienischen Wirtschaft in Italien aufhielt, veröffentlichte über seinen Sprecher Gerry Rice am 5. 2. eine Erklärung, worin es heißt: »Die vorläufige Einschätzung des IWF-Teams ist die, daß die Bank von Italien [unter Draghi als Chef] innerhalb der Grenzen des rechtlichen Rahmens rechtzeitig und angemessen handelte, um Probleme bei MPS anzugehen. Die Aufsicht war präzise und das Handeln als Aufsicht eskalierte in angemessener Weise, als die Probleme von MPS akut wurden.« Abgesehen davon, daß der IWF zu derartigen Erklärungen gar nicht befugt ist, fragt man sich, wie die IWF-Inspektoren, die die Regierungskonten prüften, gleichzeitig noch die Zeit fanden, die Zentralbankaufsicht über die MPS zu prüfen. Zwei Tage später wurde auf der monatlichen EZB-Pressekonferenz die Absicht hinter dieser Erklärung deutlich. Auf eine wahrscheinlich abgesprochene Frage der Presse hin bezog sich Draghi zunächst auf einen der Selbstrechtfertigung dienenden Bericht der Banca d’Italia mit einer Chronologie der formalen Schritte, die ergriffen wurden; anschließend verlas er die IWF-Erklärung in voller Länge. Draghi fügte hinzu: »Vergessen Sie nicht, daß ich es war, der beide Inspektionen abzeichnete. Es war die Banca d’Italia, die den Justizbehörden die meisten Papiere und Unterlagen übergab.« Faktisch ist das eine Selbstanklage. Denn aus dem Memorandum der Bank von Italien geht hervor, daß alle diese Handlungen erst geschahen, nachdem Draghi am 1. 11. 2011 zur EZB gewechselt war! Erst danach zwang die Zentralbank das MPS-Management zum Rücktritt und die Justiz wurde erst im März 2012 informiert. Hinzu kommt, daß nach Angaben des ›Wall Street Journals‹ die Bank von Italien der MPS noch unter Draghis Leitung einen Geheimkredit über 2 Mrd. € gab. In dem eigenen Bericht der Zentralbank wird dieser Kredit nicht erwähnt, aber es heißt dort: »Im Herbst 2011 mußte die Banca d’Italia Wertpapier-Kreditoperationen durchführen, um es der MPS zu ermöglichen, mehr Zuflucht zur Refinanzierung bei der EZB zu nehmen.« Außerdem ist die Aussage des Berichts, die Prüfung des verdächtigen ›Santorini‹-Derivatgeschäfts der MPS mit der Deutschen Bank habe »keine Informationen ergeben, die ein Sanktionsverfahren oder ein Alarmieren der Justizbehörden gerechtfertigt hätten«,unglaubwürdig. Draghi ist nämlich selbst ein Experte für diese Art von Derivatgeschäften und hat sie in einer Schrift aus dem Jahr 2003 ausdrücklich empfohlen.
Was die sogenannten systemrelevanten Banken angeht, so waren große ›systemrelevante‹ Banken der transatlantischen Region in den letzten Monaten bekanntlich wiederholt gezwungen, ihre Verwicklung in kriminelle Aktivitäten zuzugeben, von Geldwäsche für Drogenhändler und Terroristen über systematische Manipulation des Leitzinses [Libor- und Euribor-Skandal], Betrug bei Derivatgeschäften und Steuerhinterziehung – bis hin zum Betrug im Handel mit Emissions-Zertifikaten. Aber jedesmal kommen die Banken mit einem blauen Auge davon: Sie zahlen eine Geldstrafe, geben reumütig ihren Fehler zu und geloben eine bessere ›Unternehmenskultur‹. Der jüngste Fall dieser skandalösen ›Rechtsprechung‹ erfolgte am 6. 2., als die Royal Bank of Scotland (RBS) für ihre Beteiligung am Libor-Betrug mit einer Geldstrafe von 612 Mio. $ davonkam. Im Dezember 2012 hatte die Großbank HSBC eingewilligt, wegen Drogen- und Terrorgeldwäsche, die einem US-Senatsbericht zufolge von 2002-2009 jährlich etwa 10 Mrd. $ umfaßte, gegen Zusicherung von Straffreiheit 1,92 Mrd. $ zu zahlen. Ohne ›Schutz von oben‹ gäbe es das nicht. Es zeichnet sich ab, daß dies eine von Justizminister Eric Holder und dem scheidenden Finanzminister Geithner durchgesetzte bewußte Politik der Regierung Obama ist. [Unter Geithners Nachfolger Jack Lew ist keine Änderung zu erwarten.] Sowohl Holder als auch sein wichtigster Mann, der Leiter der Kriminalabteilung des Ministeriums, Lanny Breuer, haben faktisch zugegeben, daß die Banken, die als ›too big to fail‹, also als zu groß zum Scheitern bezeichnet werden, auch als ›too big to jail‹ – als zu groß zum Inhaftieren betrachtet werden. Holder hat sogar zugegeben, daß er als Vizeminister in einem früheren Fall gegen die UBS-Bank dazu ein Memorandum verfaßt hatte, worin er argumentierte, daß bei Gerichtsverfahren gegen solche Banken die Auswirkungen auf das Finanzsystem berücksichtigt werden müßten. Breuer gab zu: »Wir müssen die Folgen einer Anklage für unschuldige Mitarbeiter und Aktionäre berücksichtigen; man müsse auch das ›Wellenschlagen‹ in der ganzen Bank und auf den globalen Märkten bedenken. Über die Folgen für die Opfer des kriminellen Handelns der Banken sagen Holder und Breuer nichts. Im US-Senat gibt es gegen diese Haltung Protest. Der Demokrat Sherrod Brown und der Republikaner Chuck Grassley fordern in einem Brief an Holder eine ausführliche Erklärung zu den Methoden des Ministeriums bei Wirtschaftsverbrechen der Großbanken und warum es nie zu Strafverfahren kam. Auch der frühere Aufseher des Bankenrettungsfonds ›TARP‹, Neil Barofsky, kritisierte das Verhalten der Behörden scharf. In einem Artikel in der Financial Times vom 7. 2. schrieb er, den Banken würde dadurch signalisiert, daß ›sich Verbrechen auszahlt‹. [1]
Die italienische Polizei nahm nun am 14. Februar den früheren Chef der Finanzabteilung der MPS, Gianluca Baldassarri, fest; seine Abteilung steht im Zentrum der Betrugsermittlungen; es habe Fluchtgefahr bestanden. Das Geldhaus ist auf neue Staatshilfen angewiesen und damit zu einem prominenten Wahlkampfthema geworden. Die angeschlagene Bank rechnet mit einer baldigen Auszahlung der Hilfe in Form von Krediten in Höhe von 3,9 Milliarden €. Ende Januar hatte die italienische Notenbank den Antrag bereits gebilligt. [2]